Ziegelwerk und Nebeltage


Der Tag lag in einer trüben Suppe. Über Bahndämme ging ich. Weit.
Und da, auf hohen, alten Brücken, an Feldrändern und Wiesen, da habe ich etwas wieder gefunden.
War ich schon der warm, gewohnten Stadt entlaufen, trug es mich plötzlich hinaus, über die gewohnte Wahrnehmung hinweg.
Und aus der absurden Welt des Josef K. stieg etwas, aus dem Buch, hinein in meine Welt.
Die Stadt, welche im Nebel vor mir lag, war eine andere, da ich ein anderer war.
Meine Gedanken überschlugen sich, loteten die Grenzen der Horizonte aus, füllten die endlose Weite - und doch, schien der Platz nicht zu genügen.
Ich breitete die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken.
Wie lang hatten mich die Worte eines anderen nicht mehr so beflügelt.
Meine Gedanken rannten - tausend Wege gleichzeitig.
Und Etwas in mir, suchte etwas aus dem Moment hin zu retten. Denn so plötzlich der Sturm auch kommt, so schweigt er auch wieder.
            ---


Altes Ziegelwerk



Aus der bröckelnden Stadt bin ich hinaus gegangen. Als hätte mich jemand oder etwas gerufen.
Jetzt stehe ich am Ziegelwerk. Niemand sonst steht hier, und nie stünd` sonst gar jemand hier... außer mir.
Ich ziehe die Jacke fest um mich. Es ist kalt. Vielleicht hätte ich nicht allein gehen sollen, aber wer hätte mich schon begleitet. Und sieht man nicht allein oft so viel mehr?
Meine Kleidung scheint mir nicht zu passen, denn die Kälte kriecht überall hinein.
...verweister Ort. Jede Betriebsamkeit ist hier gewichen. Alles liegt brach. Der Schornstein hat ausgebrannt.
Man könnte meinen der Ort sei zur Ruhe gekommen ... ist er nicht. Im Gegenteil.
Die Unruhe ist tief in den Grund gesickert. Das rumoren der Maschinen schwingt im Boden nach. Dunkler Nachhall.
Der Stillstand ist dem Ort nicht gut bekommen, braucht er doch rauchenden Schornsteine, ratternde Bänder, klirrende Stangen, fauchende Öfen.
Kurz sehe ich ein Monster - wie ein eingesperrtes Tier, kaum atmend könnend, sich immer und immer fort in die Ketten werfend.
Ich blinzle. Nun ist alles wieder still und leer.

Die verwaschene, graue Nebelsuppe ist dem Ort das rechte Leichentuch. Mehr und mehr fürchte ich, der dünne Boden könne durchbrechen, die Wut des Ortes entfesseln.
Eine Dummheit! Sollte man doch die verhohlene  Gewalt viel mehr fürchten.
... Mir ist als ob Arbeiter, zu gefäßlosen Seelen verfallen, durch die Anlage schleppen.
Ein Geheimnis hat dieser Ort. Man spürt es deutlich. Und, obgleich man es nie erfahren wird - ist es doch mit dem letzten Ofen verglommen - sieht man sich dennoch geduckt danach um.

Jetzt erst merke ich, das der Ort überschwemmt ist.
Gleich einer Seuche schwappt Lehm- und Rostwasser an den angeätzt, mürbe gewordenen Zaun. Unter dem Hügel, hinter dem Zaun, die Stadt. 
Deren Menschen sind schwachsinnig geworden. Zu viel Nebel. Trübe Luft.
Plötzlich überkommt es mich. Ein böser Verdacht. Eine Ahnung. Wo kommt der Nebel her?
Ich wusste es. Dann mach ich den Fehler einzuatmen. Konzentrierter als jeder Städter...
Mein Hirn wird Brei. Fließt mir aus den Ohren.
Zuletzt denke ich an Hügel, Stadt und Zaun.... Verderben und Niedergang. 
Die Abrechnung im Verzug.